19. Oktober 2023 – Schwierige Planfälle zusammen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Expertinnen und Experten besprechen und Lösungsvorschläge erarbeiten, auf deren Basis die weitere Planung der Radinfrastruktur vorangetrieben werden kann: Das ist das Ziel der seit 2020 jährlich stattfindenden AGFK-Planungswerkstatt. Von den von AGFK-Mitgliedskommunen eingereichten Planfällen waren in diesem Jahr fünf ausgewählt worden. Mit dabei: die Städte Freising und Bayreuth sowie die Gemeinden Gilching, Möhrendorf und Veitsbronn. Sie zeigten, dass vielerorts eine sichere Radinfrastruktur nicht nach allgemeingültigen Regeln umgesetzt werden kann, sondern individuelle Lösungen gefunden werden müssen. Die AGFK-Planungswerkstatt ist diesbezüglich sehr hilfreich für die Kommunen und Landkreise.
Gastgeberkommune war in diesem Jahr Freising, wo sich am 17. und 18. Oktober rund 25 Teilnehmende im Pallotti-Haus trafen, überwiegend Radverkehrsbeauftragte, aber auch andere Planungsverantwortliche aus AGFK-Mitgliedskommunen. Bei der Erarbeitung der Lösungsvorschläge wurden sie von drei Expertinnen und Experten unterstützt: Peter Gwiasda, VIA eG in Köln, Juliane Krause, Planungsbüro plan & rat in Braunschweig, sowie Jörg Thiemann-Linden, büro thiemann linden stadt & mobilität in Bonn.
Der erste Tag startete mittags mit einer zweistündigen Fahrradexkursion durch die Stadt Freising, die 2021 als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert worden war. So konnten der Radbeauftragte Dominik Fuchs und Clara Siebel von der Abteilung Tiefbauplanung den Teilnehmenden vor Ort die Punkte erläutern, die während der Planungswerkstatt besprochen werden sollten.
Einführende Informationen
Die drei Expertinnen und Experten gingen anschließend in ihren Vorträgen auf Problematiken in allen Planfällen ein. Der Fokus von Juliane Krause lag auf dem Thema „Mit dem Rad zur Schule“. Mit Zahlen und Fakten belegte sie, wie wichtig eigenständige Mobilität von Kindern ist und welche negativen Folgen „Elterntaxis“ haben können – nicht nur auf die motorische Entwicklung des Nachwuchses, sondern auch auf die Verkehrssicherheit rund um Schulen. Zudem stellte die Expertin mögliche verkehrsregelnde und bauliche Maßnahmen für sichere Schulradwege vor. Auf die Frage eines Workshop-Teilnehmers, ob Schulradwege in das Radverkehrskonzept eines Landkreises aufgenommen werden sollten, antwortete Krause: „Besser ist es, eine Schule für ein Pilotprojekt aussuchen, das hat einen Nachahmungs-Effekt.“
Peter Gwiasda, derzeit beteiligt an der Überarbeitung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), widmete sich in erster Linie Ortsdurchfahrten. Neuerungen der ERA seien unter anderem, dass künftig von Fuß- und Radverkehr gemeinsam genutzte Wege mindestens drei Meter breit sein und auch Schutzstreifen für Radfahrer breiter angelegt werden sollten. Weitere Themen seines Vortrags waren Querungshilfen, Führungsformen von Radwegen, die Trennung von Rad- und Fußverkehr sowie die Radwegenetzplanung. Seine Empfehlung: „Arbeiten sie meinen Vortrag systematisch ab und schauen Sie, was in Ihrer Kommune möglich ist.“
Um die Frage „Bus-, Rad- und Fußverkehr separieren oder mischen?“ ging es im Vortrag von Jörg Thiemann-Linden. Seit 1930 hat in der deutschen StVO der Kfz-Verkehr Vorrang. Doch im Zuge der Gestaltung lebenswerter Städte mit weniger klimaschädlichen Emissionen gewinnen neu gedachte Räume mit Begegnungszonen und der shared-Space-Gedanke immer mehr an Bedeutung. Doch von unterschiedlichen Verkehrsteilnehmenden gemeinsam genutzte Flächen oder Routen bringen auch Konflikte mit sich. „Wo eine Trennung der Radwegführung möglich ist, diese auch durchführen; ist nur wenig Platz vorhanden, dann mischen“, empfiehlt der Experte.
Arbeiten nach Plan
Am zweiten Tag der Veranstaltung startete die Bearbeitung der Planfälle in Kleingruppen. Die Stadt Freising hatte gleich vier kritische Punkte entlang der vierspurigen Hauptverkehrsachse Mainburger Straße, für die sie Lösungen suchte. Zum einen soll eine dort bestehende Lücke im Radnetz geschlossen werden. Zum anderen gilt es, eine sichere Radverkehrsführung an Kreuzungen und in einmündenden Straßen in diesem Bereich zu entwickeln. Erschwert werden die Planungen durch Widerstände aus der Bevölkerung, etwa gegen die Entfernung einer Mittelinsel mit Bäumen, sowie einer Hochtrasse, die Teil des Förderprogramms Stadt und Land ist und nicht verändert werden darf. Dennoch konnten Fuchs und Siebel mit inspirierenden und umsetzungsfähigen Vorschlägen wie Fahrspurreduzierungen, indirekte Linksabbieger für Radfahrende und andere nach Hause gehen.
Der Planfall der Stadt Bayreuth, den der Nahmobilitätsbeauftragte der Stadt, Sebastian Norck, vorstellte, dreht sich im Wesentlichen um die Radwegeführung über die Zentrale Omnibus-Haltestelle (ZOH). Sie ist Teil des 2014 beschlossenen Fahrrad-City-Rings. In die Planungen miteinbezogen müssen die eng getakteten An- und Abfahrten der Busse, eine abgehende Straße mit Gefälle sowie eine Einkaufspassage. Der Workshop ergab eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten, die sogar über die Radwegführung hinausging, etwa die Errichtung eines mechanischen Fahrradparkhauses in der Mitte des Rondells, die Schaffung eines Shared-Space an der Einmündung einer der Zufahrtsstraßen sowie insgesamt eine höhere Aufenthaltsqualität an der ZOH.
Eine Straßenunterführung mit beidseitigem Gehweg und einer Steigung von sechs Prozent sowie schlechte Sichtachsen in Einmündungen war eines der Themen in der Gemeinde Gilching. Ein Lösungsvorschlag lautete: Tempolimit 30 km/h und eine Piktogrammkette auf der Fahrbahn. Die Gemeinde ist Mitglied der Initiative „Lebenswerte Städte für angemessene Geschwindigkeiten“, ein Zusammenschluss von über 1000 Kommunen, die mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempo 30 fordern, was aufgrund der Straßenverkehrsordnung nicht ohne weiteres möglich ist.
Eine konsistente Radverkehrsplanung für die zwei Ortsdurchfahrten K31 und K32 ist das Ziel der Gemeinde Möhrendorf im Landkreis Erlangen-Höchstadt, wie der Radverkehrsbeauftragte Michael Förster erklärte. Das Problem auf der K31: Viele private Grundstücksausfahrten auf der Südseite und geringe Fahrbahnbreiten. Lösungen könnten abschnittsweise ein Tempolimit von 30 km/h sowie auf der Südseite eine durchgehende Piktogrammkette und eine deutliche Markierung der Ausfahrten sein, auf der Nordseite ein abschnittsweiser, einseitiger Schutzstreifen. Thiemann-Linden erklärte: „Wenn Radverkehr aufgrund nicht umsetzbarer Radverkehrsanlagen mit dem Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn geführt werden muss, ist Tempo 30 dringend zu empfehlen. Doch die Gewöhnung an die Umstellung dauert erfahrungsgemäß lange, so dass eine zusätzliche Markierung von Tempo 30 auf der Fahrbahn aus Sicherheitsgründen notwendig ist.“ Für die K32 wurden zwei sichere Querungsstellen empfohlen und die Prüfung für streckenweise Tempo 30.
Ein Kreisverkehr mit einseitigem Zweirichtungsradweg in südlicher Richtung sowie in nördlicher Richtung einer Querung über die Mittelinsel nach dem Einmündungsbereich in den Kreisverkehr mit Verbindung zum Zweirichtungsradweg könnte die Lösung für eine Dreieck-Kreuzung mit zwei Bushaltestellen und schlechten Sichtachsen in der Gemeinde Veitsbronn im Landkreis Fürth sein.
Positives Fazit
Insgesamt waren die Vertretenden der Kommunen und Landkreise zufrieden mit den Ergebnissen. Ein großes Lob kam von Peter Gwiasda: „Ich war beeindruckt von dem großen Engagement, mit dem heute gearbeitet wurde. Von den zahlreichen Planungswerkstätten, die ich bisher bundesweit begleitet habe, war diese die Beste!“ Mit einem Dank an alle Expertinnen und Experten sowie Teilnehmenden schloss Holger Schmidt von der Geschäftsstelle der AGFK Bayern, der die Veranstaltung moderiert hatte, die Planungswerkstatt ab.
(Text: AGFK Bayern)
Hinweis: Die Vorträge der Expertin und der Experten finden Mitglieder der AGFK Bayern im internen Servicebereich in der Infothek. Sie können auch direkt heruntergladen werden unter folgenden Links: