25. Juni 2024 – Eine überwiegend flache Topografie, ein historischer Stadtkern, in dessen Gassen man mit dem Rad zügig unterwegs sein kann, und eine lange Fahrradhistorie: Das sind die idealen Voraussetzungen und Gründe dafür, dass der Radverkehr knapp die Hälfte des Gesamtverkehrs ausmacht. Bei rund 321.000 Einwohnenden kommen auf jeden Haushalt 2,5 Fahrräder – oder Leezen, wie die Münsteranerinnen und Münsteraner sagen. Seit den 1960er-/70er-Jahren betreibt die Stadt Münster konsequent Radverkehrsförderung – mit Erfolg: 2022 betrug der Radverkehrsanteil 47 Prozent – Tendenz steigend –, im selben Jahr belegte die Kommune den ersten Platz beim ADFC-Fahrradklimatest.
Um die „Fahrradhauptstadt Deutschland“ selbst zu erleben und aus ihren Erfahrungen zu lernen, reiste auf Einladung der AGFK Bayern eine 22-köpfige Gruppe vom 17. bis 18. Juni nach Nordrhein-Westfalen (NRW). Unter der Leitung des kommissarischen Geschäftsführers der AGFK Bayern, Holger Schmidt, hatten die Teilnehmenden, darunter Bürgermeister, Radverkehrsbeauftragte, Mobilitätsplanende und weitere Vertretende aus Verwaltungen verschiedener AGFK-Mitgliedskommunen, die Möglichkeit, sich bei Radexkursionen und Vorträgen zu informieren und auszutauschen. Mit dabei war außerdem Birgit Zehetmeier vom Referat 67 (Radverkehr) im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.
Größte Fahrradstation in Deutschland
Bereits beim Verlassen des Hauptbahnhofs am ersten Tag in Münster bot sich ein überwältigender Anblick: Fahrräder, so weit das Auge reicht. Doch die eigentliche Attraktion befindet sich unterirdisch. An der Westseite des Bahnhofs bietet die 1999 eröffnete „Radstation Münster“, das größte Fahrradparkhaus Deutschlands, auf 2.500 Quadratmetern 3.300 Stellplätze, davon zirka 600 persönliche Stellplätze für Dauerparkende. Mieträder, Reparatur-Service, Waschanlage und Shop ergänzen das Angebot. Die Preise für einen Fahrrad-Stellplatz reichen von 90 Cent pro Tag bis hin zu 90 Euro für eine Jahreskarte, für Lastenräder und andere größere Modelle sind sie etwas höher. „Die Auslastung ist hoch“, sagte Nils Schmitter, Referent der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e. V., kurz: AGFS, bei der Abholung der Mieträder nach dem Frühstück.
Anders sieht es in der erst 2023 eröffneten digitalen Radstation am Hansator an der Ostseite des Bahnhofs aus, wo viele Plätze leer stehen. „Die neue Abstellmöglichkeit muss sich noch herumsprechen“, meinte Schmitter. An diesem Standort können die 1.800 Stellplätze ausschließlich übers Smartphone per App gebucht werden, die Bezahlung erfolgt automatisch am Monatsende. Betreiber ist die Westfälische Bauindustrie GmbH (WBI), eine kommunale Gesellschaft der Stadt Münster. Die Radstation an der Ostseite des Hauptbahnhofs wird von einem Privatunternehmen betrieben.
Radverkehrsentwicklung und -förderung in Münster
Doch trotz des umfangreichen Stellplatzangebots konnte das wilde Fahrradparken noch nicht gänzlich gestoppt werden. „Nach holländischem Vorbild prüft die Stadt derzeit, wie ein kostenloses Parken finanziert werden könnte“, erklärte Max Stewen vom Fahrradbüro des „Amt für Mobilität und Tiefbau Münster“ bei einem Treffen im Rathaus. Er und sein Kollege Philipp Oeinck, zwei von insgesamt sechs Mitarbeitenden im Fahrradbüro, sowie der Abteilungsleiter Mobilitätsplanung, Christian Schmelter, erläuterten die Radverkehrsentwicklung und -förderung der Stadt in den letzten Jahren und gaben einen Ausblick in die Zukunft. Welche Rolle die AGFS NRW dabei und deutschlandweit spielt, schilderte deren Vorsitzende Christine Fuchs.
„Münster ist führend im Modal Split. Er ist eine der Grundlagen für unsere Planungen“, so Stewen. Im Stadtgebiet gibt es 23 fest installierte Zählstellen. 2022 wurde eine große Mobilitätsbefragung durchgeführt, an der sich 2.000 Haushalte beteiligten. Darauf und auf anderen Bausteinen basierend wurde der „Masterplan Mobilität Münster 2035+“ entworfen. Der Leitfaden enthält unter anderem die Neugestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), z. B. Ampelschaltungen zur Bevorrechtigung des Busverkehrs und die Umstellung der Flotte auf E-Busse, Intermodalität, d.h. die Verbindung verschiedener Verkehrsmittel an Mobilstationen, ein neues Parkraumkonzept, das höhere Jahrespreise für Pkw-Stellplätze vorsieht, und ein Fahrradnetz mit Zukunft. Ziel des „Fahrradnetz 2.0“ ist eine lückenlose, hierarchische Fahrradinfrastruktur und mehr Platz für Fahrräder zu schaffen. „Ein Teil des Fahrradnetzes 2.0 sind die Velorouten ins Umland“, erläuterte Oeinck. Eine davon konnte die Gruppe am nächsten Tag bei einer Fahrradexkursion nach Telgte kennenlernen. Doch dazu später mehr.
In die Radverkehrsförderung werden pro Jahr und Einwohner zirka 30 Euro investiert, dies entspricht einer Gesamtinvestition von rund zehn Millionen Euro. Münster liegt damit weit über dem im Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) 2020 geforderten Finanzbedarf für Städte und Gemeinden. Trotz des bereits sehr hohen Radverkehrsanteils von 47 Prozent ist die Verwaltung bestrebt, diesen Anteil sukzessive und konsequent zu erhöhen, bis zur Marke 50 Prozent und darüber hinaus. Beeindruckend für die Gruppe aus Bayern war der Ehrgeiz der Mitarbeitenden des Fahrradbüros, den Radverkehr immer weiter voranbringen zu wollen.
Beeindruckende Infrastrukturelemente
Stadtprägend sind die roten Radrouten, die in jedem Luftbild herausstechen, denn manche Fahrradstraßen werden großflächig und durchgehend markiert. „Nach Versuchen mit verschiedenen Bauweisen, etwa Epoxidharzbeschichtung oder Rollplastik, tendieren wir inzwischen zu langlebigem, rotem Asphalt“, so Oeinck. Sein Tipp, um beim Einrichten von neuen Fahrradstraßen möglichst wenig Widerstand aus der Bevölkerung zu ernten: „Wenn Stellplätze weggenommen werden, im Vorfeld Alternativen wie Car-Sharing oder E-Ladestationen anbieten, die Maßnahmen nur stückweise umsetzen und die Bürger gut und frühzeitig informieren!“ So gibt es auch in der Stadt Münster eine Kampagne zum Thema Fahrradstraßen, die mit Plakaten darüber aufklärt, welche Regelungen (Tempo 30, Auto zu Gast etc.) dort gelten.
Eine attraktive Radroute in Münster ist die 4,5 Kilometer lange, von Grün gesäumte Promenade. Sie dient Radfahrenden als Verteilerring ins Stadtzentrum oder in die Außenbezirke. Motorisierter Verkehr ist dort nicht zugelassen.
Stolz ist die Stadt auch auf ihre Kanalpromenade, die 2023 den ersten Platz beim Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie „Infrastruktur“ abräumte. Bauträger ist die Stadt Münster mit Unterstützung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, gefördert wurde sie zu 90 Prozent vom Bund. Rund 2.000 Radelnde täglich – vorwiegend Pendlerinnen und Pendler – und damit 40 Prozent mehr als vor dem Ausbau der ehemaligen Schotterpiste nutzen die 22 Kilometer lange und drei bis vier Meter breite Asphaltstrecke entlang des Dortmund-Ems-Kanals. Sie ist mit einem adaptivem Beleuchtungssystem ausgestattet, das auch am Abend oder in den dunklen Wintermonaten für Sicherheit sorgt. Jede Laterne springt nur an, wenn sich Radfahrende nähern und geht wieder aus, wenn diese vorbeigefahren sind. „Probleme bereiten uns aber die Fledermäuse, die auf das Licht empfindlich reagieren“, so Stewen. Im Sommer soll die Beleuchtung daher nur bis 23 Uhr aktiv sein.
AGFS NRW: Bindeglied und Unterstützerin
Nicht ganz unbeteiligt an der vorbildlichen Radinfrastruktur in Münster ist die AGFS in NRW, die sich 1993 gründete. Sie hat auch die rund zwölf Jahre alte AGFK Bayern von Anfang an unterstützt und ist Koordinierungsstelle aller AGFKen in Deutschland. Münster als Mitgliedskommune profitiert von der Umsetzungsinitiative der AGFS, die versucht, Hürden bei der Umsetzung von Infrastruktur zu reduzieren. Gegen Fachkräftemangel etwa hat die AGFS das Projekt „Plane deine Stadt“ ins Leben gerufen. „Wir gehen in Schulen und stellen das Berufsbild „Verkehrsplaner“ vor; wir gehen in Hochschulen und bringen Absolventen mit unseren Mitgliedskommunen zusammen“, erzählt Christine Fuchs, Vorsitzende der AGFS NRW. Die Förderung auf institutioneller Ebene ist eine neue Stufe.
Exkursion durch die Stadt
Bei einer geführten Radtour durch die Stadt konnte die Delegation aus Bayern live einige der vorgestellten Maßnahmen und Besonderheiten sprichwörtlich erfahren. Start war am Stadtweinhaus. Die Gruppe passierte Fahrradstraßen, die noch nicht den festgelegten Standards entsprachen und in Kürze angepasst werden. Über die Promenade ging es weiter in die Bismarckstraße, eine durchgehend rot eingefärbte Fahrradstraße, für deren Umsetzung 70 Kfz-Stellplätze ohne Kompensation weichen mussten.
Weiter ging es am Aasee vorbei und über einen Teil des Kreisverkehrs am Ludgeriplatz, eine der Hauptachsen im Münsteraner Rad- und Kfz-Verkehrsnetz. Über den Hauptbahnhof fuhr die Gruppe zum Lütkenbecker Weg, eine ebenfalls durchgehend rot markierte Fahrradstraße, auf der in einigen Abschnitten ein per Verkehrszeichen angeordnetes Überholverbot für Kraftfahrzeuge gilt. Die Verwaltung sah sich zu diesem Schritt gezwungen, da die Straße von Autos als Ausweichstrecke genutzt wurde sowie diese häufig zu schnell fuhren und den Überholabstand nicht einhielten.
Über die Kanalpromenade erreichte die Gruppe schließlich als Endstation der Radexkursion am ersten Tag das Gebäude der Stadtwerke Münster.
Einblick in politische Prozesse der Radverkehrsförderung
Dort wurde sie von Walter von Göwels erwartet, verkehrspolitischer Sprecher der CDU und Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke. „In Bezug auf den Radverkehr ist es egal, welche Partei in Münster das Sagen hat. Radeln gehört zur Stadt und muss von allen gefördert werden“, schickte der Politiker voraus und erzählte: „Ich bin gebürtiger Rheinländer und als ich vor vielen Jahren nach Münster kam, bewegte sich der Radverkehr im normalen Rahmen, aber es gab kein Mobilitätskonzept.“ Seit acht Jahren arbeite die Stadt nun an ihrem Masterplan.
Die größten Probleme ergäben sich durch die zirka 150.000 Pendlerinnen und Pendler, die morgens nach Münster und abends wieder nach Hause strömen. Sie gilt es aus dem Auto zu bekommen. Münsters Busbahnhof ist einer der größten in Deutschland mit 48 Millionen Fahrgästen pro Jahr. Um noch mehr Menschen das Busfahren schmackhaft zu machen, hat die Stadt 2023 äquivalent zum Deutschlandticket ein 29-Euro-Ticket (MünsterAbo) eingeführt. „Das musste mit 2,5 Millionen Euro subventioniert werden“, so von Göwels. Die Kosten konnten durch höhere Preise fürs Anwohnerparken teilweise aufgefangen werden. „Vorteil des MünsterAbos: Der Tarifdschungel hat sich aufgelöst.“ Mittlerweile kämpft die Stadt gegen den Mangel an Busfahrerinnen und Busfahrern an. „Flüchtlingen aus der Ukraine bieten wir Sprachunterricht, eine Ausbildung und Wertschätzung ihres angestrebten Jobs an. Letzteres ist sehr wichtig: Der Respekt für diesen Beruf und die Menschen, die ihn ausüben“, so von Göwels.
Eine weitere Alternative zum eigenen Auto: Carsharing
Im Anschluss stellten Daniel Schwinning, Geschäftsführer von „Stadtteilauto“, und Lars Bethge, Leiter Marketing und Kommunikation, ihr stationsbasiertes Carsharing-Angebot vor. 325 Fahrzeuge umfasst die Flotte derzeit, angestrebt ist eine Verdoppelung in naher Zukunft. „Für die neuen Stationen muss dann allerdings Parkraum umgewidmet werden“, erklärte Schwinning. In Neubaugebieten werden von Anfang an Stellplätze für Carsharing eingeplant und dafür das Pkw-Parken reduziert. Das Carsharing ist attraktiv: Stadtwerke-Kundinnen und -Kunden sparen die Grundgebühr, es gibt einen günstigen Studententarif und über die App kann bundesweit auch bei anderen Anbietern gebucht werden. Unternehmen und Verwaltungen nutzen mittlerweile die Möglichkeit, um ihren Fuhrpark zu verkleinern uns so Kosten zu sparen.
Zweiter Tag: Fahrt nach Telgte
Etwa zwölf Kilometer Luftlinie östlich von Münster liegt die Stadt Telgte. 450.000 Touristinnen und Touristen sowie 100.000 Pilgernde pro Jahr besuchen den bekannten Wallfahrtsort mit seinem charmanten, historischen Stadtkern und die Kapelle mit der sagenumwobenen Marienstatue. Per Fahrrad erreicht man Telgte von Münster aus über die 15 Kilometer lange Veloroute Nummer 12. Diese führt zunächst durch Stadtgebiet. Am Beispiel Bohlweg, wo die Gruppe einen Halt machte, stellte Begleiter Philipp Oeinck dar, wie durch Fahrtrichtungsvorgaben für den Kfz-Verkehr Einbahnstraßenverhältnisse in den Fahrradstraßen geschaffen worden sind – zur Erhöhung der Sicherheit des Radverkehrs.
Nach der Stadtgrenze geht es leicht im Zickzack vorbei an Wiesen und landwirtschaftlich genutzten Flächen, durch Waldstücke und kleine Ortschaften. Für die Wegeführung wurde bestehende Infrastruktur genutzt, etwa alte Bahndämme und Wirtschaftswege. „Es ist nicht die schnellste Route, aber wir wollten möglichst viele Siedlungsbereiche anbinden“, erklärt Telgtes Bürgermeister Wolfgang Pieper später im Rathaus, wo die Gruppe Hintergrundinformationen zur kommunalen Vernetzung zwischen Münster und dem Umland erhält. Wer keinen Wert auf eine schöne Umgebung legt, kann den Rad- und Gehweg entlang der Bundesstraße 51 nutzen.
Auf dem Weg dorthin überquert die Gruppe eine Brücke über eine sich im Bau befindende Bundesstraße mit sechs Prozent Steigung – für Münsteranerinnen und Münsteraner ein Berg! Die Brücke wurde gebaut, bevor die Strecke in die Veloroute aufgenommen wurde. Der Gruppe schleicht ein Auto hinterher, denn auf der Brücke gilt für Pkw Tempo 30 und ein Überholverbot von Radfahrenden.
Nach einem Waldstück wird der Fahrweg enger, Oeinck stoppt und zeigt auf eine große Wiese: „Hier ist ein Wohngebiet geplant und die Weiterführung der Veloroute wird noch diskutiert. Soll sie außen herumgeführt werden oder am Kindergarten vorbei? Während die Politik Angst vor Radl-Rowdies hat, sind wir der Meinung: immer durch die Quartiere hindurch und die Menschen mitnehmen“, erklärt Oeinck. Solche Planungen lösen immer große Diskussionen bei den unterschiedlichen Beteiligten aus, ein Kompromiss ist schwer zu finden. Die Teilnehmenden sind sich einig: Solche kontroversen Diskussionen sind bekannt und Teil ihrer alltäglichen Arbeit.
Danach geht es weiter durch das flache Land, kurz vor der Stadtgrenze von Telgte wartet ein Empfangskomitee auf die Bayern-Delegation: Telgtes Bürgermeister Wolfgang Pieper, Julia Lückfeldt, Leiterin Fachbereich Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit, und Annika Becker, Leiterin Tourismus und Kultur, lösen Oeinck ab.
„Ab jetzt hat die Veloroute einen Nachteil: Der Verkehr auf den kreuzenden Straßen hat Vorrang“, erzählt Pieper auf der gemeinsamen Weiterfahrt Richtung Rathaus. Er selbst ist ausschließlich mit dem Fahrrad und dem ÖPNV unterwegs, einen Führerschein besitzt er nicht. Erst auf diesem Streckenabschnitt ist durch Bodenmarkierungen zu erkennen, dass sich die Gruppe auf einer Veloroute befindet. Nur wenig später erreicht die Gruppe Telgte. Am Bahnhof wurde erst im letzten Jahr eine überdachte Radständeranlage installiert. Dahinter überspannt eine neue Fußgängerbrücke die Bahngleise, die den Nordteil mit der Altstadt verbindet. Letztere wurde barriereärmer umgebaut und im Zuge dessen die alten Pflastersteine gesägt, kalibriert und wieder eingesetzt, so dass es sich darauf leichter gehen und radeln lässt.
Pioniere der Velorouten
Im Sitzungssaal des Rathauses erwartet Detlef Weigt die Ankommenden, Leiter der Geschäftsstelle Stadtregion im Stadtplanungsamt der Stadt Münster. Er schildert den Prozess der Zusammenarbeit mit dem Umland. „Als Münster 2012 die Idee der Velorouten hatte, gab es bundesweit noch keine. Radschnellwege ja, aber keine Radvorrangrouten. Gemeinsam mit Peter Gwiasda vom Kölner Planungsbüro VIA haben wir Standards entwickelt“, so Weigt.
Die Schaffung der Geschäftsstelle Stadtregion 2014 mit einer teilfinanzierten Stelle war ein Schlüsselmoment in der Entwicklung der Zusammenarbeit der elf Umlandkommunen rund um das Oberzentrum Münster. Der nächste Meilenstein wurde 2018/2019 mit dem Stadt-Umland-Kontrakt gelegt, der unter anderem ein festes Budget und eine „Geschäftsstelle Stadtregion“ mit zwei Mitarbeitenden festlegte. „Wenn mehrere Kommunen an einem Projekt beteiligt sind, sind wir die Schnittstelle“, so Weigt. Zehn Mal jährlich trifft sich die Runde der Ansprechpersonen. „Aus ihr fließt viel Wissen zurück in die Rathäuser“, ergänzt Pieper. Finanziert werden die Velorouten vom jeweiligen Baulastträger, also der Kommune oder dem Land, 90 Prozent kommen aus dem Förderprogramm des Landes NRW. „Der Nachteil, wenn die Förderung in Anspruch genommen wird: Es müssen vorgegebene Breiten eingehalten werden“, so Weigt.
Zu Fuß durch Telgte
Bei einer anschließenden Stadtführung zu Fuß ging die Gruppe vom Rathaus aus durch eines der drei Stadttore zunächst ein Stück entlang des Ems-Radweges und weiter über eine Stauwehr-Brücke. „Als ein Neubau der schmalen, in die Jahre gekommenen Fußgängerbrücke anstand, haben wir dafür gesorgt, dass auch Radverkehr darauf möglich ist. 2012 wurde sie fertiggestellt“, erzählt der Bürgermeister. „Das Rautenmuster steht symbolisch für die Weberei-Zunft in Telgte“, ergänzt Stadtführerin Dr. Simone Müller.
Auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum gab es noch einige Sehenswürdigkeiten zu bewundern, darunter die Wallfahrtskapelle auf dem Kardinal-von-Galen-Platz. Unweit davon auf einer Freifläche, wo ein Haus abgerissen worden war, hatte die Stadt Radständer aufgestellt. „Es ist eine Zwischennutzung, bis das Grundstück wieder bebaut wird, und eine gute Möglichkeit für uns, die Einkaufsstraßen von überall parkenden Fahrrädern zu entlasten, die oft Hindernisse darstellen. Denn im Ortskern haben wir nur wenige Abstellanlagen“, erklärt Pieper.
Positive Eindrücke im Gepäck
Bei der Feedbackrunde zum Abschluss der Exkursion gab es viel Lob für die Referentinnen und Referenten, sowohl in Münster als auch in Telgte. Besonders positiv bewertet wurde die Tatsache, dass Probleme und deren Lösungen aufgezeigt wurden und dass es ein lückenloses Radnetz sogar über Knotenpunkte hinweg gibt. Eine Teilnehmerin bewunderte auch den Mut der Stadt Münster, den Pkw so viel Parkraum wegzunehmen. Mit Hinweis auf die Musterblätter, die die AGFK Bayern zusammen mit dem StMB entwickelt hat, sowie verschiedene Fördermöglichkeiten ermutigte Birgit Zehetmaier die Gruppe, die vorhandenen Angebote der AGFK Bayern und des StMB anzunehmen, um so die Radförderung in der eigenen Kommune voranzubringen. „Der Input und Austausch mit den Expertinnen und Experten hier vor Ort war sehr authentisch und inspirierend. Ich hoffe, Sie können den einen oder anderen Ansatz mit in Ihre Kommune nehmen. Wir freuen uns auf weitere spannende Exkursionen im In- und Ausland“, sagte Holger Schmidt an die Teilnehmenden gewandt und bedankte sich im Namen der AGFK Bayern bei ihnen sowie den gastgebenden Kommunen.
(Text: AGFK Bayern)