Destination Innenstadt
Die AGFK Bayern freut sich ihre neue umfassende Publikation „Destination Innenstadt – Die systemische Relevanz des Radverkehrs für die Verkehrs- & Stadtplanung“ vorstellen zu dürfen.
Auf über 50 Seiten werden Schwerpunkte wie der Aufbruch zur innerstädtischen Mobilitätswende, Push & Pull Faktoren für einen echten Mobilitätswandel sowie das strategische Planungsmarketing innerhalb einer Kommune beleuchtet. Der Broschüre liegt ein A2 Plakat bei, das visualisiert, wie eine systemische Integration des Radverkehrs erfolgen kann.
Broschüre und Plakat stehen als Download zur freien Verfügung. Die Printausgabe kann beim AGFK Koordinationsbüro kostenlos bestellt werden.
Leseprobe „Destination Innenstadt“
Anliegen
Das Umdenken und Umsteigen hat begonnen: Immer mehr Kommunen in Deutschland arbeiten daran, die Aufenthaltsqualität zu steigern und die Belastungen durch den motorisierten Individualverkehr (MIV) in ihren Innenstädten zu verringern. Auch immer mehr Bürger tragen ihren Teil dazu bei, steigen aufs Rad, auf Pedelecs, auf Lastenräder oder nutzen Sharing-Angebote. Und auch in der kommunalen Politik und Verwaltung sind die konzeptionellen Grundlagen einer zukunftsweisenden Verkehrspolitik für verdichtete Innenstadträume auf dem richtigen Weg:
Mit Radverkehrs- und Klimaschutzteilkonzepten, Green City- und Luftreinhaltungsplänen soll der Autoverkehr reduziert und auf nachhaltige Verkehrsmittel verlagert werden. Die Vorzeichen für eine zukunftsweisende Fuß- und Radverkehrsförderung scheinen gut zu stehen.
Trotz dieser positiven Entwicklung stellen die meisten Kommunen fest, dass die Wirkungskraft der ergriffenen Maßnahmen hinter den Erwartungen zurückbleibt. Das Mobilitätsverhalten ändert sich nicht: Die MIV-Belastung bleibt zu hoch, vielerorts nimmt sie sogar zu oder das Erreichte wird durch Rebound-Effekte aufgehoben. In diesem Diskussionspapier widmet sich die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern) daher der Frage, woher diese Diskrepanz rührt und welche Handlungsperspektiven sich für die kommunale Politik und Verwaltung daraus ableiten lassen. (…)
Es ist das Anliegen der AGFK Bayern, Städte und Gemeinden des Freistaats Bayern darin zu bekräftigen, ihre Verkehrsplanung aus den Zielen der Stadtplanung abzuleiten und mit klug gewählten Leitbildern Akzeptanz für die Radverkehrsförderung als zentralem Baustein eines weitreichenden Mobilitätskonzepts zu schaffen.
Werden Auto und Rad nicht gegeneinander, sondern miteinander gedacht, wird der Radverkehr zum Drehmoment einer zukunftsfähigen Innenstadtmobilität, der eine neue Erreichbarkeit und Innenstadträume von hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität schafft. Kommunen weltweit und unterschiedlicher Größenordnung zeigen, dass dies keine Vision ist, sondern – als Destination gedacht – auch von Städten in Deutschland erreicht werden kann. (…)
Die innerstädtische Mobilitätswende kann beginnen
Die negativen Folgen des MIV, mit denen sich Kommunen heute auseinandersetzen müssen, sind auch die große Chance, ihre Innenstädte als Lebens- und Wirtschaftsraum neu zu erfinden. Was sie hinter sich lassen können – außer dem Flächenverbrauch für den ruhenden und fließenden Verkehr und Instandhaltungskosten – sind Abgas- und Lärmbelastungen sowie die Unfallgefahr für Fußgänger und Radfahrer. Besonders auch im Hinblick auf Kinder und Senioren.
Gerade in verdichteten urbanen Räumen stehen multimodale Mobilitätsangebote zur Verfügung, die es leicht machen, auch ohne Privatauto mobil zu sein. Das Auto steht heute in vielen Innenstädten nicht mehr für eine bequeme und schnelle Distanzüberwindung und ist somit nicht zwingend das Fortbewegungsmittel der ersten Wahl.
Das gilt auch für Elektro-Autos – auch mit ihnen steht man im Stau oder sucht einen Parkplatz. Es ist der MIV, der im Zielkonflikt mit der Lebens- und Aufenthaltsqualität der Innenstädte steht. Wollen Kommunen das Mobilitätsverhalten im erforderlichen Ausmaß und zeitnah verändern, kommen sie daher nicht umhin, ordnungsrechtliche und bauliche Maß- nahmen vor allem zugunsten des Fuß- und Radverkehrs zu ergreifen. (…)
Echter Mobilitätswandel braucht Push & Pull
Wie die Herausforderungen deutscher Kommunen offenbaren, reicht es für eine merkliche Veränderung des Mobilitätsverhaltens nicht aus, lediglich die alternativen Mobilitätsangebote zum Auto zu verbessern. Denn derartige Pull-Maßnahmen können ihre Wirkung nicht in vollem Umfang entfalten. Soll der MIV in hohem Maße auf ein innenstadtverträgliches Niveau verringert und auf den Mobilitätsverbund verlagert werden, geht kein Weg an Mobilitätskonzepten mit umfangreichen Push-Maßnahmen vorbei: Wie die großflächige Einführung von maximal Tempo 30, die Erhöhung von Parkgebühren und der Abbau straßenbegleitenden Parkraums. Erst damit sorgen Kommunen dafür, dass in ihrer Innenstadt nichts praktischer ist, als Rad zu fahren.
Denn es ist der Radverkehr, der das Drehmoment für einen zukunftsfähigen Innenstadtverkehr und eine neue – innere und äußere – Erreichbarkeit ist. Ein Kapazitätsausbau des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), so dringend dieser auch weiterhin angegangen werden muss, bringt lange und mitunter kostenintensive Umsetzungszeiten mit sich. Car- und Ride-Sharing ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, kann aber ohne Integration in ein übergeordnetes Gesamtkonzept zu zusätzlichen Verkehren führen. Nichtsdestotrotz sollen Auto und Rad – als zentraler Baustein im Mobilitätsverbund – nicht gegeneinander gedacht, sondern als multi- und intermodale Wegeketten zusammen gedacht werden. Vor allem die äußere Erreichbarkeit der Innenstadt für Umlandbesucher kann durch die intelligente Verknüpfung von Auto und Rad in Park+Bike-Parkierungsanlagen gewährleistet sein. (…)
Das strategische Planungsmarketing innerhalb der Kommune
Die AGFK Bayern möchte die kommunale Politik dazu ermutigen, sich hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung ihrer Stadt die richtigen über- geordneten Fragen zu stellen. Mit einem politischen Mandat im Rücken können die kommunalen Fachplanungen mit der Erarbeitung eines integrierten Stadt- und Verkehrsentwicklungskonzepts wesentlich zur fundierten Beantwortung dieser Fragen beitragen. Dieser Auftrag sollte ergebnisoffen gestaltet werden und bisherige Prämissen und Entwicklungspfade infrage stellen dürfen.
Das Gebot der Stunde für deutsche Städte und Gemeinden ist es, sich von dem impliziten Versprechen zu lösen, den MIV weiterhin gleichermaßen wie seine nachhaltigen Alternativen fördern zu können. Restriktive Maßnahmen dürfen kein Tabuthema mehr sein. Eine solche Enttabuisierung reicht aber über eine effizienz- und technikgetriebene
Verkehrspolitik hinaus: Denn die Mobilitätswende ist ein Bewusstseinswandel, der in den Köpfen beginnt, das Umdenken ist die Prämisse für das Umsteigen. Eine gezielte und umfassende Kommunikation im Rahmen eines strategischen Planungsmarketings kann dabei Akzeptanz für Push-Maßnahmen schaffen. Und mehr noch: Das Erkennen eines gemeinsamen Mehrwerts jenseits politischer Lager sowie jenseits gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Partikularinteressen.
In der Radverkehrsförderung wird der Fokus dabei bislang stark auf die Kommunikation ‚nach außen‘, auf die Öffentlichkeitswirksamkeit, gerichtet. Die AGFK Bayern sieht jedoch weiteren Handlungsbedarf darin, eine ebenso starke Kommunikation innerhalb der kommunalen Politik und Verwaltung zu betreiben – sowie gegenüber Trägern öffentlicher Belange. Der Stellenwert einer guten ‚intrakommunalen‘ Kommunikation ist daher nicht zu unterschätzen. Sie ermöglicht es, mit klug gewählten Leitbildern die Unterstützung der beteiligten Stakeholder zu gewinnen. Das BBSR sieht in der strategischen Kommunikation eben- falls den Hebel für breit angelegte Transformationsprozesse: „Diese „weichen“ Maßnahmen entscheiden darüber, ob Push- und Pull-Maß- nahmen Akzeptanz finden und Debatten über den Stadtverkehr der Zukunft ausgewogen stattfinden können.“2 (…)