AGFK Bayern zieht Bilanz zu den Modellprojekten für den Radverkehr in Bayern

22.07.2021 – Um das Maßnahmenspektrum zur Sicherung des Fahrradverkehrs zu erweitern, hat die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern) gemeinsam mit der Technischen Hochschule Nürnberg im Zeitraum von 2018 bis 2021 ein Forschungsprojekt durchgeführt. Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr unterstützte das Vorhaben finanziell und beratend. Die Ergebnisse wurden am 22. Juli 2021 im Rahmen einer Videokonferenz vorgestellt und mit den beteiligten Kommunen sowie VertreterInnen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration diskutiert.

Foto: Daniela Ullmann

Hintergrund und Ziele der Modellprojekte
In zahlreichen bayerischen Kommunen besteht aufgrund enger Platzverhältnisse keine eigene Infrastruktur für den Radverkehr. Im Fokus der Modellprojekte standen Hauptverkehrsstraßen, für die nach den aktuellen Regelwerken keine anforderungsgerechten Radverkehrsanlagen angelegt werden können und der Radverkehr im Mischverkehr auf der Fahrbahn geführt wird.
Mit den Modellprojekten wurden Maßnahmen evaluiert, die teilweise über die aktuell bestehenden Regelungen hinausgehen und den Werkzeugkasten der Kommunen mit Blick auf mehr Fahrradfreundlichkeit und Verkehrssicherheit erweitern könnten. Denn nur wer sich als Radfahrer sicher fühlt, wird das Rad auch häufig benutzen.
Die AGFK Bayern untersuchte gemeinsam mit den Projektpartnern in folgenden Modellprojekten in besonderen und kritischen Streckenabschnitten spezielle Kennzeichnungen und ausgewählte Führungsformen für den Radverkehr, um die Situation für alle Verkehrsteilnehmer klarer und sicherer gestalten zu können:

  • Fahrradpiktogramme auf der Fahrbahn
  • Kennzeichnung von Radwegen ohne Benutzungspflicht
  • Einseitige Schutzstreifen innerorts
  • Tempo 30 in Hauptverkehrsstraßen

13 bayerische Kommunen beteiligten sich an den Modellprojekten

Die Technische Hochschule Nürnberg untersuchte die Wirkung der Maßnahmen auf die subjektive und objektive Sicherheit sowie die Wahrnehmung und ggf. Verhaltensveränderung bei allen Verkehrsteilnehmern. Die Evaluation der Wirkungen der Maßnahmen basiert vor allem auf empirischen Erhebungen mit Vorher-Nachher-Vergleich für die Untersuchungsstrecken. Insgesamt beteiligten sich 13 bayerische Kommunen mit 16 Streckenabschnitten an den Modellversuchen. Ziel des Forschungsprojektes war es, Empfehlungen zu Einsatzkriterien der jeweiligen Maßnahme sowie ggf. auch Ausschlusskriterien herauszuarbeiten.

Markierung einseitiger Schutzstreifen zeigt höchste Wirksamkeit

Insbesondere die Auflösung von einseitigen Zweirichtungsradwegen in einen richtungsgetreuen Einrichtungsradweg und einen einseitigen Schutzstreifen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeigt eine hohe Wirksamkeit. Die Markierung der Schutzstreifen führte tendenziell zu niedrigeren Kfz-Geschwindigkeiten beim Überholen, ebenso wurde die subjektive Sicherheit der Befragten als deutlich verbessert eingestuft.

Auch die Markierung von Fahrradpiktogrammen auf der Fahrbahn hatte tendenziell eine positive Wirkung auf das Verkehrsverhalten. So konnte eine Verringerung des Geschwindigkeitniveaus im Kfz-Verkehr festgestellt werden, auch die objektive und subjektive Sicherheit sind gestiegen.

Der Vorsitzende der AGFK Bayern, Landrat Matthias Dießl, zeigt sich über die Ergebnisse erfreut: „Mit den Modellprojekten haben wir die Themen „einseitiger Schutzstreifen“ und „Fahrradpiktogramme auf der Fahrbahn“ auf einen guten Weg gebracht. Bislang waren diese Lösungen in Bayern nicht möglich. In Abstimmung mit den Ministerien konnte die AGFK Bayern jedoch erreichen, dass diese Maßnahmen voraussichtlich auch in Bayern umgesetzt werden können.“

Zahlreiche Studien belegen bereits, dass sich Tempo 30 positiv auf die Lärm- und Emissionsminderung auswirkt und das Tötungsrisiko bei Kollisionen geringer ausfällt. Im Rahmen des Modellprojekts konnte festgestellt werden, dass sich durch Tempo 30 auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Radfahrenden steigert. Ein Großteil der Befragten gab zudem an, dass sich das Kfz-Verhalten verbessert hat. Auf die Flächenwahl der Radfahrenden hatte Tempo 30 jedoch nur sehr geringe Auswirkungen. „Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen werden wir – insbesondere auch mit Blick auf die subjektive Sicherheit des Radverkehrs – weiterhin verfolgen. Hierbei soll an die Beschlussfassung im Bundestag angeknüpft werden, denn mit dem Ziel „Vision Zero“ soll den Kommunen durch gesetzliche Änderungen die Anordnung von Tempo 30 auf einzelnen Straßen erleichtert werden“ so Landrat Matthias Dießl.

Im Rahmen des Modellversuchs „Kennzeichnung von Radwegen ohne Benutzungspflicht“ wurde die Beschilderung in Kombination mit Piktogrammen wesentlich stärker wahrgenommen als die bloße Beschilderung. Insgesamt konnte
jedoch nur ein geringer Einfluss auf das Verkehrsverhalten belegt werden.

Projektübergreifend lässt sich feststellen, dass der Seitenabstand beim Überholen kaum eingehalten wird. Kraftfahrer, die Radfahrende überholen, müssen gemäß StVO innerorts einen Abstand von mindestens 1,5 m und außerorts von 2 m einhalten. Die Überholabstände betrugen bei Tempo 30 durchschnittlich 1,29 m und bei Tempo 50 durchschnittlich 1,43 m.

Landrat Matthias Dießl zieht bei der Vorstellung der Ergebnisse eine positive Bilanz: „Die Ergebnisse der Modellprojekte zeigen, dass die unterschiedlichen Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen eine sichere Lösung darstellen und das bisherige Repertoire ergänzen können. Die Kommunen brauchen mehr Handlungsspielraum um den Radverkehr sicherer zu gestalten. Unsere Aufgabe ist es weiterhin, an Bund und Land heranzutreten um eine weitergehende Änderung der StVO zu bewirken.“

Den vollständigen Ergebnisbericht können Sie hier downloaden. Die ganze Pressemitteilung als PDF finden Sie hier auf unserer Website.