7. September 2023 – Einen Monat vor der Landtagswahl in Bayern hatte die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK Bayern) zu ihrem jährlichen „Fachgespräch Radverkehr“ mit Verkehrsminister Christian Bernreiter und Innenminister Joachim Herrmann eingeladen. Zu dem politischen Ereignis kamen rund 80 Gäste.
Kurzer Weg zu den Ministern, Interessenbündelung und direkte Weitergabe sowie Information, Austausch und Vernetzung: Das sind die Ziele des jährlichen Fachgesprächs Radverkehr, das sich an Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung der AGFK Bayern Mitgliedskommunen sowie anderer Institutionen richtet. In diesem Jahr war der in der Regel einstündige Austausch – diesmal im Literaturhaus München und moderiert von Roman Roell vom Bayerischen Rundfunk – um eine halbe Stunde erweitert worden. Aus gutem Grund: Im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl in Bayern standen neben Gesprächen die Übergabe des neuen Forderungskatalogs sowie die Vorstellung der ersten „Musterblätter Radverkehr Bayern“ auf dem Programm, deren Veröffentlichung eine der Forderungen der AGFK Bayern ist.
Mit den Worten „In unserem Forderungskatalog haben wir klare und konkrete Ziele formuliert, die den Radverkehr voranbringen sollen. Wir möchten nicht nur Veränderungen fordern, sondern auch Lösungsansätze präsentieren.“, überreichte Matthias Dießl, Landrat des Landkreises Fürth und Vorsitzender der AGFK Bayern, den Forderungskatalog 2023 an Staatsminister Bernreiter.
„Zahlreiche Forderungen aus der Vergangenheit wurden bereits umgesetzt. Das zeigt, dass die Arbeit der AGFK Bayern erfolgreich und wichtig ist“, sagte Dießl. Dazu gehören beispielsweise die geplante und im Bayerischen Radgesetz verankerte Einführung eines 1-Euro-Tickets zur Fahrradmitnahme im Öffentlichen Nahverkehr, die Möglichkeit des Fahrradleasings für Beschäftigte des Freistaats sowie mehr Förderprogramme für den kommunalen Radwegebau und Fahrradabstellanlagen. Dennoch wird seitens der AGFK Bayern weiterer Handlungsbedarf gesehen. Daher hatte ein Facharbeitskreis aus Vertreterinnen und Vertretern einiger Mitgliedskommunen im Frühjahr 2023 einen neuen Forderungskatalog erarbeitet.
Staatsminister Bernreiter bestätigte die gute Zusammenarbeit der Staatsregierung mit der AGFK: „Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen ist der wichtigste Partner des Freistaats bei der Radverkehrsförderung in den Landkreisen, Städten und Gemeinden. Die AGFK und die Staatsregierung ziehen an einem Strang und haben das gemeinsame Ziel: Mehr Radverkehr vor Ort. Gerade deshalb ist der Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern aus den Kommunen beim jährlichen Fachgespräch so wichtig.“
Mehr Sicherheit für Radfahrende
Ein wesentlicher der insgesamt 18 Punkte ist zum Beispiel die Umsetzung von „Vision Zero“. Diesem Ziel, Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden im Straßenverkehr bestmöglich zu vermeiden und auf Null zu reduzieren, müsste bei Planungen und verkehrsrechtlichen Anordnungen höchste Priorität eingeräumt werden; Maßnahmen wären unter anderem Tempolimits und die sichere Gestaltung von Knotenpunkten. Als weiteren wichtigen Punkt sieht die AGFK Bayern eine landesweite Kampagne für mehr Radverkehr, um Menschen fürs Radfahren zu begeistern und eine Verhaltensänderung anzustoßen. Verkehrssicherheit und Miteinander im Verkehr müssten dabei im Fokus stehen, damit insbesondere diejenigen Menschen, die bisher aus Unsicherheit das Radfahren gemieden haben, mobilisiert werden. Die Sicherheit von Radfahrenden könnte auch durch Fahrradstaffeln der Polizei in Großstädten erhöht werden, eine weitere Forderung der AGFK Bayern. In München und Nürnberg haben solche bereits ihre Arbeit aufgenommen.
Austausch mit Gästen
Die anschließende Gesprächsrunde nutzten einige Gäste, um Radthemen in ihrer Kommune oder ihrem Landkreis zu diskutieren. Johannes Holl, Mitarbeiter der Abteilung Tiefbau der Stadt Memmingen, plädierte für barrierefreie Übergänge von Bordsteinen zu Straßen. Mit drei Zentimetern seien sie zu hoch für Radfahrer. Dießl gab zu bedenken, dass sie mancherorts für die Straßenführung wichtig seien, eine Abschrägung an Übergängen sei aber möglich. Bernreiter wies darauf hin, dass diese Höhe aus Sicherheitsgründen festgelegt sei, damit blinde Menschen die Übergänge besser mit ihrem Blindenstock ertasten können. Steffen Fiebig, Radverkehrsbeauftragter des Landkreises Neu-Ulm, bot an, mit einer Herstellerfirma in seiner Nähe über die Entwicklung neuer, für alle Ansprüche geeignete Radrandsteine zu sprechen.
Markus Mahl, Erster Bürgermeister der Stadt Hilpoltstein, wünschte sich eine bessere Qualifizierung des Personals in den Bauämtern. Im Radverkehrsgesetz sei dies jetzt zwar verankert, aber in den Köpfen an der Basis sei die Radverkehrsförderung noch nicht angekommen. Sowohl Bernreiter als auch Herrmann versicherten, dass in den Bauämtern und auch bei der Polizei ständige Fortbildungen stattfänden.
Alexander Wolfinger, Radverkehrsbeauftragter des Landkreises Donau-Ries, wünschte sich eine Entschärfung von Kreuzungspunkten und mehr Fahrradfreundlichkeit bei der Unteren Verkehrsbehörde. Dießl wies darauf hin, dass planerische Konfliktpunkte demnächst dank der „Musterblätter Radverkehr Bayern“ klarer und einheitlicher umgesetzt werden können.
Unterstützung für Planer
Die Veröffentlichung von „Musterblättern Radverkehr Bayern“ für alle Baulastträger, die auch an Staatsstraßen sowie im Radnetz Bayern angewendet werden sollen, ist ebenfalls eine Forderung der AGFK Bayern. Sie enthalten beispielhafte Plandarstellungen und sollen die Planung von Radverkehrsmaßnahmen einheitlich auf dem aktuellen Stand der Technik gewährleisten und Abstimmungsprozesse vereinfachen. Musterblätter zu Schutzstreifen, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen hat die AGFK Bayern bereits in Abstimmung mit dem Verkehrs- und dem Innenministerium erstellt, weitere werden folgen. Ziel ist ein umfassender Katalog an Musterblättern.
Landkreis Fürth rezertifiziert
Den Abschluss des Fachgesprächs bildete die feierliche Überreichung der Rezertifizierungs-Urkunde für den Landkreis Fürth, die Landrat Dießl stellvertretend entgegennahm. Der Landkreis Fürth gehörte 2012 zu den Gründungsmitgliedern der AGFK Bayern und wurde 2016 zum ersten Mal als „Fahrradfreundlicher Landkreis in Bayern“ zertifiziert. 2023 stand die Rezertifizierung an, die alle sieben Jahre stattfindet. Bei der Bereisung im Juli lobte die Jury insbesondere das hohe Engagement in der Radverkehrsförderung sowie die vielfältigen Aktionen, etwa das Erstellen und die Umsetzung eines Radverkehrskonzepts und das Pendlerfrühstück. Der Landkreis Fürth habe große Vorbildfunktion, so die einhellige Meinung.
Den Forderungskatalog der AGFK Bayern 2023 finden Sie hier als Download.
(Text: AGFK Bayern)