Der ländliche Raum im Fokus der 9. Bayerischen Fachtagung Radverkehr

Mehr Menschen aufs Rad bringen: Das ist eines der Ziele in der Mobilitätswende. Welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen es bei der Umsetzung in ländlichen Gebieten gibt, vermittelte die 9. Bayerische Fachtagung Radverkehr in Landshut unter dem Motto RAD.LAND.BAYERN – Radverkehr im ländlichen Raum, die vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen Bau und Verkehr und der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK Bayern) veranstaltet wurde.

Rund 150 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren, mit Fachleuten in Dialog zu treten und sich untereinander auf kommunaler Ebene auszutauschen. Das rege Interesse zeigte, wie wichtig das Thema speziell für Bayern ist: Das zweitgrößte Bundesland ist im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ dünn besiedelt, über die Hälfte der Bevölkerung lebt im ländlichen Raum, der knapp 90 Prozent der Gesamtfläche Bayerns ausmacht. „Im ländlichen Raum gibt es für den Radverkehr noch viel Potential. Vor allem Pedelecs bieten eine große Chance, neue Zielgruppen und Gebiete zu erschließen. Es braucht aber auch durchgängige und sicher befahrbare Netze, um das Fahrrad auch auf dem Land attraktiver zu machen“, sagte Landrat Matthias Dießl, Vorsitzender der AGFK Bayern, in seiner Begrüßungsansprache.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter betonte in seinem Videogrußwort die wichtige Rolle des Radverkehrs in der bayerischen Mobilitäts- und Klimapolitik und überreichte symbolisch einen Förderbescheid an die AGFK: „Wir wollen den Radverkehrsanteil in ganz Bayern steigern. Dazu brauchen wir eine attraktive und sichere Infrastruktur, auch im ländlichen Raum. Gemeinsam mit unseren Kommunen wollen wir bis 2030 1.500 Kilometer neue Radwege in Bayern auf den Weg bringen. Dabei unterstützen wir die Kommunen mit unseren bekannten Förderprogrammen. Seit 1. März fördern wir nun auch den Ausbau von öffentlichen Feld- und Waldwegen, wenn sie für den Radverkehr bedeutsam sind. Damit wollen wir den Radverkehr im ländlichen Raum kräftig anschieben! Mein herzlicher Dank gilt den Kommunen und der AGFK für ihren Einsatz. Ich freue mich sehr, dass der Freistaat die AGFK Bayern auch dieses Jahr mit bis zu 400.000 Euro unterstützen wird.

Verkehrsmininister Christian Bernreiter übermittelte eine Videobotschaft im Saal der Stadtsäle Bernlochner. © AGFK Bayern/Andreas Gebert

Eine der größten Herausforderungen auf dem Land sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Planung und Umsetzung von interkommunalen Radweg-Projekten. Durchgängige Radwege, über die Grenzen der Kommunen hinweg, können insbesondere für Alltagsstrecken die Nutzung des Fahrrads attraktiver und sicherer machen. Aber auch für den Tourismus ist ein gut ausgebautes Radroutennetz wichtig. 1.200 Kilometer lang ist es im Landkreis Neustadt an der Aisch – Bad Windsheim, Mitglied der AGFK Bayern, und damit ein gutes Beispiel, wie durch eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landkreis Rad-Projekte gelingen können. Die Abstimmungs- und Umsetzungsprozesse erläuterte auf der Fachtagung der Radwegebeauftragte des Landkreises, Sebastian Haser, in einem Vortrag.

Sebastian Haser © AGFK Bayern/Andreas Gebert
Fishbowl mit Caroline Huth © AGFK Bayern/Andreas Gebert

Diesem Thema widmete sich auch eine Diskussionsrunde mit Verena Loibl, Klimaschutzmanagerin und Radverkehrsbeauftragte im Nürnberger Land, und Dr. Michael Stanglmaier, 3. Bürgermeister der Gemeinde Moosburg für Umwelt, Energie und Mobilität sowie Vorstandssprecher des ADFC Kreisverband Freising, unter der Leitung von Caroline Huth, Doktorandin an der Stiftungsprofessur für Radverkehr in intermodalen Verkehrsnetzen an der Technischen Hochschule Wildau. Das Resümee: Aus Erfahrung weiß man, dass der persönliche Kontakt zu den einzelnen Kommunen wichtig ist, denn es bedarf oft viel individueller Beratungs- und Überzeugungsarbeit, um alle Kommunen hinter ein Kreis-Konzept zu bringen. Zunächst müssten aber die Zuständigen im Kreis erst einmal eine gute Arbeits- und Organisationsstruktur schaffen: Kundige und interessierte Ansprechpersonen in den Kommunen ermitteln, Formate für regelmäßige Treffen und Beteiligungen – sowohl verwaltungsintern als auch mit der Bürgerschaft – finden, Instrumente zur Kommunikation einrichten, etwa Online-Karten oder eigene Radbauprogramme mit Priorisierungskriterien. Idealerweise sind die Zuständigkeiten oder z. B. auch Haftungsfragen mit den einzelnen Kommunen in einer vertraglichen Vereinbarung festgehalten. Die Empfehlung: ganzheitlich denken und frühzeitig die Landesebene inklusive der Staatlichen Bauämter in die Radverkehrskonzeption und später in die Umsetzung einbinden.

Peter Gwiasda © AGFK Bayern/Andreas Gebert

Radwegenetz erstellen

Doch selbst dann ist es nicht so einfach, ein lückenloses Radwegenetz zu schaffen. Der Radverkehrsexperte Peter Gwiasda, Gründungsmitglied und Vorstand des Kölner Planungsbüros VIA, zeigte in einer großen Diskussionsrunde Optionen auf, die ohne Grunderwerb umzusetzen sind: die Nutzung von Wirtschaftswegen, Ausweisung von Fahrradstreifen und Einbindung touristischer Routen, kurz: Ausbau vor Neubau. An erster Stelle stehe jedoch die konsequente Planung eines Netzes, wobei die Potentiale den Ausbaustandard bestimmen. Hier gibt es drei Stufen: „Übergeordnete Hauptverbindung“, „Hauptverbindung“ und „Basisverbindung“. Zur Maßnahmen- und Umsetzungsplanung gehöre unbedingt, vorhandene Wirtschaftswege parallel zu Regionalstraßen auf ihre Eignung als Ersatz für straßenbegleitende Rad-und Gehwege zu prüfen. Zuvor hatte Gwiasda in einem Vortrag einen Ausblick auf die künftigen „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) gegeben, deren Fassung von 2010 derzeit überarbeitet wird. Die Änderungen basieren auf dem Grundsatz: Radverkehr soll im gesamten Straßennetz möglich sein, alle Ziele und Quellen sind zu verbinden.

ADFC zertifiziert fahrradfreundliche Arbeitgeber

Um das Thema fahrradfreundliche Arbeitgeber ging es in einem weiteren Forum mit Petra Husemann-Roew, Geschäftsführerin des ADFC Landesverband Bayern e. V., und Genevieve Cory, ADFC-Auditorin für Südbayern. Der ADFC unterstützt Unternehmen dabei, fahrradfreundlicher zu werden, und vergibt seit rund 15 Jahren das Zertifikat „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“. Pflichtkriterium für eine Zertifizierung ist eine zentrale Ansprechperson, die alles organisiert, sowie eine Basisausstattung. Dazu gehören hochwertige Abstellanlagen für Fahrräder, vorzugsweise in der Nähe des Eingangs. Anhand von Best Practice Beispielen zeigten die Referentinnen auf, was alles getan werden kann, um für die Belegschaft den Umstieg aufs Rad attraktiv zu gestalten, etwa Duschen und Umkleiden einrichten, After-Work-Fahrradtouren organisieren, einen kostenfreien Reparatur-Service anbieten oder das Jobrad.

Petra Husemann-Roew (re.) und Genevieve Cory © AGFK Bayern/Andreas Gebert

Im Abschlussgespräch der Fachtagung unter der Moderation von Dr. Elisabeth Frank, die eloquent durch den Tag führte, wies Ministerialrätin Amelie Ganslmeier noch einmal auf die Förderangebote für den Radverkehr des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr hin. Sarah Guttenberger, Geschäftsführerin des AGFK Bayern, hob die Unterstützung für Mitgliedskommunen hervor, etwa durch den Austausch in einem großen, kommunalen Netzwerk oder diverse Angebote wie Planungscheck.

Insgesamt war die Fachtagung eine gute Möglichkeit für Austausch und Vernetzung. Das bestätigte auch Kai Goldmann, Regionalmanager des Landkreises Landshut: „Ich nehme viele inspirierende Beispiele mit nach Hause.“

Weitere Bilder finden Sie im Service-Bereich.

Die einzelnen Präsentationen können Sie beim Klick auf den Titel einsehen und herunterladen:
Peter Gwiasda “Neuerungen ERA
Peter Gwiasda “Radwegenetzplanung auf dem Land
Sebastian Haser “Abstimmungs- und Umsetzungsprozesse
ADFC “Fahrradfreundlicher Arbeitgeber
Caroline Huth “Perspektiven des Radverkehrs in ländlichen Räumen”

(Text: AGFK Bayern)